Bezeichnet die Bildhauerei im traditionellen Sinn das subtrahierende Arbeiten mit den Materialen Stein, Holz, Eisen und in der Folge mit dem Bronzeguss, so meint die Plastik das additive Zueinanderfügen. Beide beziehen sich dabei stets auch auf den Raum selbst, markieren und verändern die Wahrnehmung des Raumes für den sie gemacht wurden, bzw. in dem sie ausgestellt werden. Die Plastik, so formulierte Martin Heidegger in "Die Kunst und der Raum", ist auch "ein verkörpertes Ins-Werk-Bringen von Orten und damit ein Eröffnen von Orten, möglichen Wohnens des Menschen, möglichen Verweilens der sie umgebenden, sie angehenden Dinge". Die Transformation des Skulpturenbegriffes verstärkte den Aspekt des Raumkontextes und bezog vielfach die Materialien und Techniken der angewandten Kunst mit ein. Gerold Tusch ist ein Grenzgänger zwischen den Bereichen einer freien und angewandten Kunst, deren Differenzierung er als obsolet bezeichnet. Die Keramik interessiert ihn als Konstruktion, als Material in dem er seine künstlerische Intention am besten zum Ausdruck bringen kann. Mit der Wahl seiner Motive - dem Formenrepertoire der Repräsentationszierart aus der Zeit des Rokoko oder des Klassizismus abendländischer Kultur spielt er in subversiver Weise mit der Frage nach Original und Abbild. Die Auseinandersetzung mit dem Wesen des Bildhaften an sich, ist der zeitgenössischen Kunst immanent. Gerold Tusch tut dies jedoch mit Formen, die über Jahrhunderte in der Architektur und in den gestalteten Gartenlandschaften vorhanden waren. Nach der Zeit des floralen Jugendstils wurde das Ornament und der Dekor radikal in Frage gestellt. Die Bezeichnung "dekorativ" für ein Kunstwerk ist bis heute weniger Kompliment als vernichtende Kritik. Dieses Tabuthema greift Gerold Tusch bewusst auf, allerdings nicht im Sinne einer Wiederbelebung des Dekorativen. Tusch isoliert die Ornamente aus ihrem ursprünglichen Kontext, erweitert und verfremdet sie durch sein eigenes Formenvokabular. Das Ornament wird autonom und zum Gegenstand der Untersuchung über Zweck und Sinn einer Form. In dieser Beschäftigung mit historischen Zierarten, war der Weg zur Form der Vase als Dekorgegenstand feudaler Gärten nahe liegend. Die Keramikobjekte aus der Serie "Abbild einer Vase" sind aus schwarzer Terra Sigillata, einer Technik, die bereits in den figurativen Vasen der Antike verwendet wurde. Bewusst verweist Tusch bereits im Titel darauf, dass die Vase losgelöst von ihrer eigentlichen Funktion - florales oder vegetatives zu bergen - zum reinen Objekt wird. Die Oberfläche ebenso wie die Formen, mit denen der Künstler diese "Vasen" nun befüllt, gewinnen an Bedeutung. Die Aspekte des Organischen, in körperlicher und pflanzlicher Assoziation, die schon die frühen Keramiken charakterisierten, sind erhalten geblieben. Anstelle der glänzenden, glatten Oberfläche tritt ein schwarzer Tonüberzug, der in vielen Schichten übereinander aufgetragen wird. Dieser ist im Gegensatz zur Keramikglasur wasserdurchlässig und entwickelt eine seltsam anziehende, haptische Körperlichkeit. Aus den Vasen quellen organische Formen. Wie in den ornamentalen Wandarbeiten, schwingt auch hier eine sinnliche - erotische Tonart mit. Seine charakteristische Formensprache erarbeitet sich der Künstler ausgehend von historischen Motiven zunächst zeichnerisch, und schließlich in der Umsetzung in das Material der Keramik. Diese Transformation verändert sowohl die Wirkung als auch die Funktion des ursprünglichen Repräsentationsobjektes. In dieser Übertragung passiert eine Art Übersetzung der Ausgangsform.

Interessierte den Künstler etwa der Schwung einer Rocaille so werden in der Bearbeitungen die feinen Enden des Muschelwerks verdickt, sie werden runder und erinnern zunehmend an Organisches, die dem, was hier in den Vasen hervorbricht eine gewisse Lebendigkeit verleiht. Die Andeutung erotischer und phallischer Formen ist dabei jedoch nie vordergründig, vielmehr als leise Ironie angebracht, die sich erst auf den zweiten, genaueren Blick auf das Kunstwerk erschließt. Die zitierte Repräsentationsform wird damit noch zusätzlich konterkariert, bis hin zum Ornament als reines Lustobjekt in fleischfarbiger glänzend glatter Keramik. Die Beziehung der Objekte untereinander und deren Raumbezogenheit ist von Anfang an ein wesentlicher Aspekt im Werk von Gerold Tusch. So waren 2001 die schwarzen Vasen Teil einer großen Rauminstallation in der Arkadenhalle des Salzburger Rupertinums.
Die neueren Arbeiten spüren dem Bedürfnis nach Verzierung und Dekoration weniger im Bereich der großen höfischen Repräsentationsgeste nach, als in Versatzstücken häuslicher Interieurs. Im Werkkomplex mit dem Titel "home & garden", in bewusster Anspielung auf begehrte Wohn- und Gartenmagazine, tauchen vermehrt Elemente des "Wohnlichen" auf. Spiegel, Samtpolsterungen und Konsolen bespielen einen von Gerold Tusch mit handgearbeiteter Tapete ausgekleideten Raum. Das Thema des Dekorativen und Ornamentalen findet in diesen Arbeiten eine Erweiterung hin zu Objekten, die nicht mehr nur mit der keramischen Form arbeiten. Die Tapete ebenso wie die Polsterungen thematisieren Strategien häuslicher Behübschung, das Überziehen, Kaschieren vorhanden Formen und Wände steht dabei im Gegensatz zu den Anforderungen und den Lösungen moderner Architektur und thematisiert den Wunsch der Gesellschaft nach Repräsentation, in dem es ehemals höfische Formen imitiert. "Die vermeintliche Brauchbarkeit, das scheinbar luxuriöse Material, sowie die zeichenhafte Verwendung einer historischen Formensprache höfischer Repräsentation stehen", so Gerold Tusch "jedoch in Dissonanz zur tatsächlichen Lebensumwelt unserer Zeit - dennoch suchen Menschen nach Konstrukten einer anderen "schöneren" Oberfläche".' Seine Interieurs sind daher nur vermeintlich harmonische Installationen in fein auf einander abgestimmten Farben. Die in die Installation eingebundenen, wie Schmuckstücke auf den Samtkonsolen präsentierten Zierobjekte zeigen auf, was eventuell verdeckt werden sollte. Ihre Spannung liegt im inhaltlichen Wechselspiel zwischen reiner Lust an der Form, erotischer Sinnlichkeit und unverblümter Direktheit.


Silvia Aigner (im Katalog "CROSSOVER" Zeitgenössische Kunst aus Kärnten und Slovenien; Hrsg. Kunstverein Kärnten, Klagenfurt 2004)