Künstliche Paradiese und florale Phantasien
Glieder, Schwellformen und andere Körperteile

Die vorliegende Publikation dokumentiert unter anderem eines der größten, auch technisch schwierigsten Projekte, welches der junge Salzburger Künstler Gerold Tusch bislang realisiert hat. Anlass dazu war die Einladung des Salzburger Museums Rupertinum im Rahmen der von mir initiierten Arkadenhallenprojekte eine Rauminstallation mit dem ihm eigenen Medium der Keramik zu realisieren.

Tusch ist bisher vor allem mit kleineren Arbeiten hervorgetreten und mit Folgen von zusammenhängenden und thematisch miteinander in Beziehung stehenden Objekten. Was ihn einerseits von einer Reihe seiner künstlerischen Zeitgenossen trennt ist sein Material welches ihn mit der Kunstgeschichte verbindet, die Keramik. Andererseits teilt er mit einer Reihe junger Künstler die leidenschaftliche und ironische Vermischung von angewandter und freier Kunst, auch von „high“ und „low“. Tusch ist einer der wenigen internationalen Künstler die sich auf erfrischend innovative Weise mit dem klassischen Thema der Keramik auseinandersetzen.

Die Installation im Salzburger Museum Rupertinum baut auf einem formal-funktionalen aber auch räumlichen und farblichen Kontrast auf. Wandstücke die sich zu einem langen die ganze Länge des Raumes entlanglaufenden Ensemble zusammenschließen in unterschiedlichen Rosatönen miteinander verflochten stehen schwarzen Vasen gegenüber aus denen wiederum Formen aufsteigen. Die Vase kennen wir als Ziergegenstand aus Parks oder feudalen französischen oder englischen Gärten sowie wir die Gewinde und Rocaillen sowohl aus Raumgestaltungen wie schmiedeeisernen Toren des Rokoko kennen. Tusch hat diese Rocaillen aus dem angewandten Bereich „befreit“, sie verselbständigt und sie auch verändert.

Appropriation und Verwandlung, Übersetzung und ironisch-poetische Verfremdung sind geeignete Begriffe sein Werk zu charakterisieren. Tusch geht von den bis in römische Zeiten zurückreichenden Zierelementen aus und überträgt sie ins Dreidimensionale wobei er sie einer doppelten Veränderung unterwirft. Er steigert den erotischen Gehalt mancher Formen (bis ins sexuelle) und verstärkt den Körperbezug durch raffinierte Oberflächen. Die Transformierung in das Material der glasierten Keramik mit ihren Körper- und Hauteffekten gibt den Blättern, Blüten, Stengeln und Samen etwas Laszives, wobei wir Glieder, Schwellformen und andere Körperteile assoziieren. 

Robert Mapplethorp hat einmal von den Blüten als den Sexualorganen der Pflanzen gesprochen. Tusch nimmt diese Anregung ernst wenn er seine künstlichen Paradiese und floralen Phantasien von den Musterbüchern des 18. und 19. Jahrhunderts ihren Ausgang nehmen lässt. Er geht von einer kodifizierten Sprache der angewandten Kunst aus um sie zur Skulptur zu befreien. Wobei der Dialog von Natürlichkeit und Künstlichkeit nicht unterbrochen sondern auf phantastische Weise gesteigert wird.

 

Peter Weiermair, 2001
Direktor der Galleria d’Arte Moderna, Bologna